20171013

[Teufelsflieger] Geschichtlicher Überblick - Loffenauer Flieger

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Teufelsflieger

Jahrtausende träumten die Menschen davon, wie Vögel in der Luft zu schweben, und nie zuvor waren sie der Verwirklichung dieses Traumes so nah wie heute.

Im April 1973 hatte Pionier Mike Harker mit seinem spektakulären Flug von der Zugspitze für eine kleine TV-Sensation gesorgt und manchen Zeitgenossen zu Erfüllung dieser für unmöglich gehaltenen Träume animiert. Ein wahres Flugfieber brach aus, und manch ein Bruchpilot avancierte über Nacht zum Fluglehrer- mit zweifelhaften Schulungsergebnissen. Es gab noch keine allgemein anerkannten Standards, und auch die Sicherheit der flattersturzgefährdeten bunten Dacronflügel ließ stark zu wünschen übrig.

In der Region wurde zunächst am Skihang in Freudenstadt oder in Baiersbronn geschult, die 200 m Höhenunterschied am Stöckerkopf ließen gerade mal 2 Flugminuten zu. Auf der Rückfahrt von dort nach Wildbad machte Uli Blumenthal, wie so häufig, einen Umweg, um nach einem besseren Fluggelände Ausschau zu halten. Hierbei entdeckte er eine kleine Schneise im Hochwald unterhalb der Teufelsmühle, aus der nach Fällung einiger Bäume und Aufschüttung einer kleinen Rampe die ersten Drachenflüge möglich sein sollten. Durch die Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Hini und in Zusammenarbeit mit Gemeinderat und  Forstverwaltung wurde dies nach Genehmigung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe realisiert.

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Am 17.9.1977 gründete man den "Drachenflug-Club Loffenau(DCL)". Damals noch eine selbstständige Abteilung des Turn- und Sportvereins unter Vorsitz von Otto Bührer. Unter dem Beifall der Versammelten trugen sich 30 aktive und 15 passive Mitglieder ein. Franz Obert führte damals einen selbst produzierten Film über 200 Testflüge bei allen Windverhältnissen vor. (Bei diesen Flügeln lag, wie berichtet wird, der damalige Rekord für „Dauerflug" bei 30 Minuten.) Der damalige Sicherheitsbeauftragte im Deutschen Aero-Club, Paul Kofler, nannte das Gelände an der Westseite der Teufelsmühle einen „Bilderbuchhang" wie er nur in Lehrbüchern vorkommt. Zum ersten und zweiten Vorsitzenden wurden Detlev Oswald und Bernd Möhrmann ernannt, verantwortliche für Technik, 03 87 03Ausbildung und Sicherheit Paul Kofler und Transport (den gab es beim DCL schon seit den Anfängen mit clubeigenem Fahrzeug „Emma". Es war ein Fahrzeug nur für Wettbewerbe (Schiedsrichter, Funk, Auswertung, Sprecher für Zuschauer und Ansagen). Für den Pilotentransport gab es einen Ford Transit.

Zunächst stand außer den Probeflügen die Arbeit im Vordergrund. Genehmigungen der Behörden, Satzungsentwürfe, Tagesablauf fürs Fliegen, Flugbedingungen, Aufsicht, Basisarbeit:  eben die Gestaltung eines Drachenflugclubs. Bald wurde gerodet, die jetzige Stadtrampe, der Aufbauplatz, ein Zufahrtsweg zu diesem Gelände wurden geschaffen und unterhalb der Teufelsmühle aus dem Fels gehauen. Ein kleiner Landeplatz im Dorfwiesenbereich entstand, mit den heutigen, bedeutend vergrößerten Landemöglichkeiten in diesem Gebiet in keinster Weise vergleichbar, jedoch ausreichend für die damaligen Fluggeräte und Flugerwartungen.

Zum ersten „Teufelspokalfliegen" gingen ca. 50 Piloten in die Luft, darunter eine Pilotin. Sie brachten durch den neuen, ungewohnten, jedoch attraktiven und optisch spektakulären Flugsport Zuschauermassen in den Schwarzwaldort Loffenau. Der Club ging auch gleich in diesem ersten Flugjahr in die vollen. Die Baden-Württembergischen Meisterschaften wurden dort ausgeflogen.

Vom 1. bis 3. September 1978 wurde eine Clubmeisterschaft gestartet, ein Nikolausfliegen für Kinder mit Ballonpost ausgerichtet und beim Drachenfliegerball im Haus des Gastes schwebten die Piloten übers Parkett. Herausragend in diesem Jahr war die Erlangung der Selbstständigkeit des DCL. Nach Dank für die „Geburtshilfe" vom Turn- und Sportverein und durch partnerschaftliche Unterstützung durch 05 82 05Bürgermeister Steigerwald, löste sich der DCL einvernehmlich von seinem „Taufpaten", wurde selbstständiger Verein (e.V.), angeschlossen beim baden-württembergischen Luftfahrtverband im Deutschen Aero Club (DAeC). Ein Novum bei Drachenfliegern war die erste Clubzeitschrift, die ab da bis immerhin 1990 jedes Jahr vom Club herausgegeben wurde.

Im Bereich des Dachsfelsen wurde ein zweiter Startplatz, der sogenannte „A Platz" mit geringerem Höhenunterschied für den A-schein mit Ausrichtung mehr nach Norden eingerichtet.

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Das erste internationale" Teufelspokal-Fliegen" als Ranglistenwettbewerb des DAeC fand 1978 statt, noch im gleichen Jahr die baden-württembergischen Meisterschaften und die Clubmeisterschaften sowie die DAeC- und BWLV-Tagung (Sportfachgruppe Hängegleiten).

1979 wurden die Loffenauer Flugtage ausgerichtet Nach nur 2-jährigem Bestehen des Clubs bekam dieser den Zuschlag für die deutschen Drachenflugmeisterschaften für das Jahr 1979, erstmals außerhalb des Alpenraumes! Hier waren insgesamt 99 Piloten am Start mit internationaler Beteiligung.

Den ersten Platz machte Josef Guggenmos, Drachenflugpionier und Drachenbauer, der im gleichen Jahr in St. Hilaire in der Nähe von Grenoble die Weltmeisterschaft gewann.

Es gab einen eigenen Poststempel mit Drachenmotiven. Es gab einen Fotowettbewerb.

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Der Flugpionier Mike Harker, der 1973 als erster einem Drachen von der Zugspitze flog, wurde Ehrenmitglied im Club.

Im Jahre 1980 wurde der erste DHV-Tag in Loffenau durchgeführt, sozusagen die Wiege des Deutschen Hängegleiterverbandes. Außerdem fand die sogenannte „Drachenflieger-Olympiade" statt: 2 Wochenenden Wettkampf und Festbetrieb. Die Hütte am Startplatz näherte sich der Fertigstellung, und der Club bekam ein neues Transportfahrzeug, das durch die Spendenbereitschaft eines guten Sterns und die Clubkasse finanziert wurde.

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1981 wurde das Landegebiet verbessert: es wurde durch Auffüllen mit hunderten LKW-Ladungen Material vergrößert und trockengelegt.

Wie jedes Jahr der Teufelspokal ausgeflogen und die Erschließung eines Osthanggeländes am Merkur in Baden-Baden versucht, was damals leider nicht genehmigt wurde. Es wurden im ganzen Jahr ca. 4500 Starts registriert. Das Clubmitglied Peter Seip wird „hessischer Landesmeister" und Rainer Scholl macht in Italien einen Streckenflug von 104 km. Im September machen 5 Loffenauer Drachenflieger einen Flug von der Ebnefluh im Berner Oberland in der Schweiz (3660 m), nachdem sie und über 30 andere Piloten und ihre Fluggeräte mit dem Hubschrauber zum Startplatz geflogen worden waren.

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Am 18. Juli 1982 fliegt DCL Mitglied Rainer Scholl im berühmten Owens-Valley in Amerika einen Weltrekord-Zielflug von 170 km in einer Höhe von bis zu 5000 m.

An Ostern 1983 wurden die baden-württembergischen Meisterschaften in Loffenau ausgetragen, an der Teufelsmühle lag noch Schnee. Sieger wurde einer der bekanntesten Piloten des Clubs und der Entdeckung des Loffenauer Fluggebietes im Jahr 1977: Uli Blumenthal mit einem Streckenflug von Loffenau nach Waldkirch (76 km).

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Beim Teufelspokal 1985 und wiederum baden-württembergischen Meisterschaften knackten gleich 5 Piloten den Vereinsrekord von 76 km, die weiteste Strecke fliegt wiederum Uli Blumenthal  mit 108 km bis kurz vor Ulm. Es werden erstmalig „Doppelsitzer" zugelassen.

Erst 1986 wird die ursprünglich nur auf das Wochenende genehmigte Flugerlaubnis für 2 Monate für „tägliches" Fliegen erweitert! Für den normalen Flugbetrieb war immer ein Startleiter eingeteilt, der für den Ablauf des Flugbetriebs verantwortlich war. Grundsätzlich war das Fliegen für Gastpiloten nur in Anwesenheit eines Clubpiloten möglich.

1988 unternahm der Drachenflieger und Gewinner des Teufelspokals Martin Brinek, der auch die Anfänge des Gleitschirmfliegens mitgemacht hatte, im Rahmen des Wettbewerbes den ersten Testflug von der Teufelsmühle mit einem Gleitschirm,  unter den damaligen Bedingungen von Fluggerät und Gelände ein spektakuläres und nicht ganz risikoarmes Unterfangen.

In den 1990- Jahren wurde dann der oft durch Turbulenzen und Bebauung zunehmend schwieriger anzufliegende alte Landeplatz auf die Ostseite von Loffenau in flacheres, offeneres Gelände verlegt.

In der folgenden Zeit wurde es etwas ruhiger um den DCL, die Mitgliederzahlen bei den Drachenfliegern waren rückläufig.

2001 04 12 sp nw2Ab 2000 bestand ein 2-jähriges Erprobungsprogramm für Gleitschirmflieger. Dies war in erster Linie der  Initiative des Gleitschirmfliegers Rainer Conzelmann und der offenen Kooperationsbereitschaft der damaligen Vorstandschaft unter Peter Zeltmann zu verdanken. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Erprobungsprogrammes wurde beschlossen, dass Fliegen für Gleitschirmflieger nach entsprechender Einweisung freizugeben.

2004 wurde mit großem Erfolg ein Wettbewerb ausgetragen mit Berglauf, Drachen- oder Gleitschirmzeitflug mit Ziellandung.

Bei der Hauptversammlung 2007 wurde beschlossen, der Integration der Gleitschirmflieger mit steigenden Mitgliederzahlen Rechnung zu tragen und einen neuen Namen für den Club zu finden. Im März 2008 wurden nach Abstimmung in der Mitgliederversammlung die Satzung und der Name des Vereins geändert in „Drachen- und Gleitschirm-Club Loffenau – die Teufelsflieger".sp hütte nw

Die vorhandene Startschneise unterhalb der Teufelsmühle wurde durch den engagierten Einsatz zahlreicher Mitglieder nach unten verlängert und verbreitert, die „Startleiter-Hütte" teilweise renoviert.

Aufgrund der Situation mit häufigen Seitenwind von links am Startplatz wurde ein neues Startgelände mit mehr westlicher Ausrichtung gesucht.

2008 wurde eine Neuaufstellung des Vereins mit Werbung von neuen Mitgliedern, Erhöhung der Attraktivität des Fluggebiets und Neugestaltung der Homepage beschlossen.

Nachdem ein neuer Startplatz in unmittelbarer Nähe der Teufelsmühle aus Naturschutzgründen („Raufußhuhnschutzgebiet und Felsenbiotop") nicht möglich war, wurde nach meheren Ortsbegehungen ein Startplatzprojekt auf der Gemarkung der Nachbargemeinde Gernsbach mit Ausrichtung nach Westen entworfen. Nach der Präsentation vor dem dortigen Gemeinderat in öffentlicher Sitzung am 29.06.2009 lag dann die schriftliche Zustimmung vor.

Logo DGL044 kleinIm Sommer 2009 wird über ein Online-Voting ein neues Vereinslogo ausgewählt und umgesetzt.

In den folgenden Jahren war eine positive Entwicklung mit zunehmend mehr Flugbetrieb, insbesondere durch Gleitschirmflieger, zu verzeichnen.AD 01

Nach langer Phase des Genehmigungsverfahrens für den neuen Startplatz „West" wurde endlich die Baugenehmigung erteilt und dieser 2015 als Pilotprojekt Nordschwarzwald durch den engagierten Einsatz in zahlreichen Arbeitsdiensten umgesetzt (16 Arbeitsdienste und ca. 3000 Arbeitsstunden) und durch zahlreiche Fotos in den einzelnen Arbeitsphasen lebensnah dokumentiert.

Durch den glücklichen Umstand, dass unter den engagierten Mitgliedern fachkundige Vertreter der unterschiedlichsten Handwerkssparten ihre Erfahrung und Arbeitskraft einbrachten, entstand innerhalb kürzester Zeit ein neues einzigartiges Startgelände mit großem Startfeld, komfortabler Starthütte und Sitzplatz.GH2 21

Über die integrierte Wetterstation mit ausführlichen Daten und die Webcam mit Tageshistorie und aktueller Aufnahme kann über die Homepage jederzeit ein Bild im wahrsten Sinne des Wortes über die Wetterentwicklung und aktuelle Wettersituation abgerufen werden.

Das Gelände wird inzwischen nicht nur von der zunehmenden Zahl der Vereinsmitglieder, von zahlreichen Gastfliegern, von Flugschulen und für Tandemflüge genutzt. Auch viele Touristen, Wanderer undCopt36Naturliebhaber beobachten den regen Flugbetrieb oder genießen einfach die einmalige Aussicht oder schöne Sonnenuntergänge von dort aus.

Durch diese Aufwertung des über die Region hinaus bekannten Fluggebietes mit sicheren Flugbedingungen und hervorragenden Streckenflugmöglichkeiten wird der Bogen zur innovativen, spektakulären Anfangszeit der Fliegerei in Loffenau geschlossen.

Wolfram Obst 

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