Aus aktuellem Anlass: |
Wieder ist ein Pilot durch nicht geschlossene Beinschlaufen in einem Beinsack-GZ tödlich verunglückt (vgl.Sicherheitsmitteilung des DHV). Weil mich der Gedanke nicht losläßt (und ich selber ein solches GZ verwende, bei dem ich das auch schon mal fast vergessen hätte), habe ich einen Lösungsvorschlag entwickelt und in Form eines herunterladbaren PDFs bereit gestellt. Der Aufwand für die nachträgliche Umrüstung liegt bei wenigen Cent, es muss nichts genäht werden – und Hersteller wie DHV sind auch schon informiert. Hier ist auch eine Fotostrecke zum Umbau (allerdings mit etwas Nähen, aber nicht an tragenden Teilen). Leider gehört auch dieser Hinweis dazu: der “Umbau” und die Verwendung erfolgt komplett auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko (da allerdings nichts Tragendes verändert wird, hält sich letzteres in Grenzen). |
Wie man ein Impress 2+ (oder ein ähnliches Gurtzeug) gegen Vergessen der Bein-/Brustgurte sichert (auch als PDF)
Das Problem: hier wurde nur das Cockpit eingehängt. Aus Sicht des Piloten ist nicht zu erkennen, dass die Beingurte noch offen sind (Abb.1). Auch ein zufällig hinschauender Kollege wird kaum sehen, dass das GetUp-System noch komplett im Beinsack hängt (Abb.2). Das Gurtzeug fühlt sich jedoch „geschlossen“ an.
Abb.1 Abb.2
Beim Start würde der Pilot bis zu den Achselhöhlen durchrutschen und später aus dem Gurtzeug fallen; schwerste Verletzungen oder der Tod wären die unvermeidliche Folge.
Wären die Beingurte zuerst geschlossen worden, gäbe es kein Problem. Die vordergründige Ursache ist also eine Fehlbedienung, die allerdings selbst dem Erfahrensten unterlaufen kann.
Möglich wird diese Fehlbedienung durch die direkte Verbindung des Karabiners zum Schließen von Cockpit & Beinsack mit dem Cockpit (Abb.3). Würde der Pilot Cockpit und Beinsack erst bei geschlossenem (oder wenigstens mal bewußt in die Hand genommenem) GetUp-System einhaken können, wäre die Gefahr praktisch ausgeschaltet.
Abb.3a und 3b
Die folgende Anleitung zeigt, wie man diese konzeptuelle Schwäche durch Verlagern des Cockpit-Verschlußglieds zum GetUp-System beseitigen kann. Demonstriert wird der Umbau an einem Impress 2+ Liegegurtzeug aus dem Jahr 2010; prinzipiell ist er auf alle Gurtzeuge mit Beinsack und einer direkten Verschlußmöglichkeit dafür anwendbar. Das Grundprinzip: es darf keine direkte, vom GetUp-System unabhängige Möglichkeit verbleiben, Cockpit und Beinsack zu schließen.
Der Materialaufwand ist minimal (ca. 2-3 €). Benötigt werden:
· ein kleiner Schlüsselring
· ein großer Schlüsselring
· ein Stück Gurtband von ca. 50cm Länge (hier wurde ein Leuchtband gewählt, um – wie später zu sehen ist – zusätzlich eine Kontrollmöglichkeit für Dritte zu schaffen)
· ein dazu passendes Kunststoff-Verstellschloß (Abb.4)
Der Originalkarabiner wird, nicht zuletzt wegen seiner lastoptimierten Form, weiter verwendet.
Abb.4
Im Folgenden wurden alle Verbindungen vernäht. Grundsätzlich könnte auch ein geschlossenes, dünnes Gurtband (z.B. schmaleres Rolladenband), ein Gummizug o.ä. für die Verbindung zwischen Karabiner und GetUp-System verwendet werden, weil dieses Konstrukt keine Last aushalten muss, aber die empfohlene Materialkombination hat – wie man später sehen wird – besondere Vorteile.
Schritt 1: Modifikation des Cockpit-/Beinsackverschlusses
Hier ist es ratsam, die umgeschlagenen Gurtenden mit einem scharfen Messer aufzutrennen, den Originalkarabiner durch einen kleinen Schlüsselring zu ersetzen und die Verbindung wieder wie vorher – mit einer einzigen Bahn Zwirn - zu vernähen (Abb.5).
Abb.5
Man bekommt zumindest das obere Gurtband auch so heraus, aber beim unteren wird es wegen der sehr engen Karabineröse eng.
Anschließend wird der große Schlüsselring in den kleinen gehängt (Abb.6).
Abb.6
2. Montage des Karabiners an das GetUp-System
Zunächst nehmen wir das Maß für die Breite der Lasche (Abb.7). Vernäht wird das Ganze frei; da sich der Brustgurt zu Wartungszwecken komplett öffnen lässt, kann die Lasche später einfach über ihn geschoben werden:
Abb.7
Das Gurtende wird doppelt umgeschlagen und zu einer geschlossenen Schlaufe vernäht (Abb.8).
Abb.8
Der Brustgurt wird geöffnet, die vernähte Schlaufe aufgeschoben und der Brustgurt wieder geschlossen (Abb.9).
Abb.9
Nun wird das Gurtzeug angezogen und das ungefähre (denn wir sehen eine Verstellmöglichkeit vor) Maß für den benötigten Abstand zum Karabiner genommen (Abb.10)
Abb.10
Anschließend wird die Verstellschnalle auf das neue Verbindungsband geschoben. Das Band wird passend abgeschnitten und (wie bei den Gurtbändern des Cockpits mit doppeltem Umlegen) abgenäht. Das war’s (Abb.11)!
Abb.11
Alternativ kann man das komplette Verbindungsband auch in den (in Flugrichtung gesehen) rechten Beingurt einschlaufen (Abb.12).
Abb.12a und 3b
Das hat den Vorteil, dass im Flug der Blick aufs gesamte Cockpit frei bleibt (Abb.13) - sonst läuft das Leuchtband über die rechte Hälfte und stört den Blick.
Abb.13
Der Wechsel zwischen den beiden Befestigungsmöglichkeiten ist jederzeit möglich.
3. Verwenden des umgebauten Gurtzeugs
a. GetUp-System schließen b. Cockpitkarabiner am GZ einhängen
c.Cockpitring in Karabiner hängen d. Fertig!
4. Untersuchung der möglichen Fehlbedienung
Ein alleiniges Schließen des Cockpits (Fehlbedienung) ist jetzt nur noch sehr bewusst und mit einiger Mühe möglich. Erstens müssen hierzu alle drei Komponenten (Karabiner und die Ringe) in die Hand genommen werden, zweitens hängt dann das Gewicht der Beingurte in der Hand mit dem Karabiner. Ein Versehen ist ausgeschlossen. Außerdem sieht man nun sofort, was nicht stimmt, denn die Beingurte werden ins Blickfeld gezogen (Abb.14). Auch ein komplett offener Gurt fällt dank des Leuchtbandes eher auf (Abb.15)
Abb.14 Abb.15
5. Fazit
Aus Sicht des Piloten ist die Fehlerquelle „unbedachtes alleiniges Schließen des Cockpits/ Beinsacks“ ausgeschlossen worden. Nur ein ganz bewusstes Schließen gegen Widerstände ist noch möglich, wobei immer noch eine visuelle Kontrolle (auch für den Partnercheck) verbleibt.
Die Lastrichtung auf den Originalkarabiner ist dieselbe, weil sich dieser unter Zug automatisch wie zuvor ausrichtet. Die Schlüsselringe stellen theoretisch Schwachpunkte dar; in der Praxis ist das jedoch unerheblich, weil die rechte Öse des Originalverschlusses auch nicht stärker ist.
Das Prinzip „kein direktes Verschlußglied für Cockpit/Beinsack auf mehr als einer Seite“ ist auf viele Arten umsetzbar, wobei das Ergebnis immer dasselbe ist. So muss nicht unbedingt ein breites oder leuchtendes Band verwendet werden. Auch dessen Vernähen ist nicht nötig; Verknoten oder doppeltes Einschlaufen tut’s auch. Die Verstellmöglichkeit mittels Gurtschließe ist komfortabel, aber nicht zwingend.
Das hier gezeigte Vorgehen liefert jedoch bei geringem Aufwand (ca. 30 Minuten) ein besonders gutes Ergebnis.
Eine Anmerkung zum Schluß: beim Experiment in der GS-Aufhängung hat sich gezeigt, dass mit dieser Konstruktion sogar ein 80kg schwerer Pilot, der nur den in die Beinschlaufen geschlauften Cockpitkarabiner von links nach rechts (also erst Cockpit, dann GZ-Öse!) eingehängt hat, also die Beinschlaufen absichtlich immer noch nicht geschlossen hat, gegen ein Herausfallen gesichert wird und die Möglichkeit hat, sich – ausreichend Hangabstand vorausgesetzt – per Rückwärtsaufzug zurück ins GZ befördern kann! Das ist aber nur ein Einzelversuch und natürlich ohne jede Gewähr; Sinn derr Konstruktion ist und bleibt eine Sicherung gegen das Vergessen der Beingurte.
© 2011 Stefan Ungemach, Levelingstr. 94b, 85049 Ingolstadt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen